Kaum etwas treibt die Fitnessgemeinde so sehr um wie die Auswahl der richtigen Nahrungsergänzungsmittel. Gleich, ob es sich um den Sinn und Unsinn exotischer Stimulanzien oder um grundlegende Makronährstoffe wie Protein handelt, die Fronten zwischen Befürwortern und Gegner eines Produktes sind nicht selten so verhärtet, so dass ein Blick über den Tellerrand nur selten möglich ist. Soja-Protein ist eines dieser Produkte, das innerhalb der Szene und auch in der Sportwissenschaft zu erbitterten Grabenkämpfen führte, die eine objektive Betrachtung des Themas nicht zuließen. In diesem Artikel wagen wir einen solchen Blick über den Tellerrand, beleuchten die Vor- und Nachteile, die Soja-Protein mit sich bringt, und nehmen nicht zuletzt einige hartnäckige Mythen unter die Lupe, die sich bis dato im kollektiven Gedächtnis der Fitnesswelt festgesetzt haben.

Was ist Soja-Protein?

Im Gegensatz zu den Klassikern des Nahrungsergänzungsmittelsegments handelt es sich beim Soja-Protein um ein pflanzliches Protein, welches aus der aus Ost-Asien stammenden Soja-Pflanze beziehungsweise der Bohne gewonnen wird, die diese hervorbringt. Das Herstellungsverfahren gestaltet sich aufgrund der originären Toxizität der Soja-Bohne sehr aufwendig, sodass zahlreiche Arbeitsschritte im Rahmen spezieller Extraktions- und Filtrationsverfahren notwendig sind, um ein verzehrfertiges Produkt zu generieren, das vom menschlichen Organismus verwertet werden kann. Soja-Protein zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Pflanzenproteinen wie Erbsen- oder Reisprotein durch die Tatsache aus, dass es sich um ein Produkt mit vollständigem Aminosäurespektrum handelt. Dies impliziert, dass ein Soja-Präparat alle neun essenziellen Aminosäuren enthält, die der menschliche Organismus nicht selbst synthetisieren kann und darüber hinaus zur Synthese bedeutender Schlüsselproteine benötigt. Bedingt durch seine kurzkettige Molekularstruktur weißt das Soja-Protein eine ähnlich schnelle Resorbtionsrate auf wie Whey-Protein und eignet sich damit als pflanzlicher Ersatz für Trainierende, die auf tierische Produkte verzichten möchten.

Welche Darreichungsformen von Soja-Protein gibt es?

Ebenso wie im Fall der althergebrachten Protein-Präparate wartet die Supplementindustrie auch hinsichtlich der Soja-Proteine mit zahlreichen Varianten auf, die sich sowohl im Hinblick auf die biologische Wertigkeit als auch den Protein-, Fett- oder Kohlenhydratgehalt teils erheblich voneinander unterscheiden. Auf dieser Basis stellt das Soja-Mehl die Produktgruppe dar, die mit 40-60 Prozent über den geringsten Proteinanteil verfügt und dementsprechend kaum in Form von Shakes eingesetzt wird, sondern sich vor allem als proteinreicher Ersatz für die Herstellung von Backwaren eignet. Soja-Protein-Konzentrat zeichnet sich durch einen Proteinanteil von 70-80 Prozent aus, verfügt allerdings im Gegenzug über einen relativ hohen Fett- und Kohlenhydratanteil, weshalb sich auf Konzentrat basierende Soja-Protein-Pulver vorrangig zum Kochen und Backen eignen. Aufgrund des verhältnismäßig niedrigen Preises eignen sich Soja-Konzentrate allerdings auch beschränkt als Ersatz für Whey-Protein. Eine wesentlich hochwertigere Form des Soja-Proteins ist das sogenannte Isolat, welches mit mindestens 90 Prozent Proteinanteil deutlich hochwertiger ist als ein einfaches Konzentrat. Darüber hinaus glänzt das Isolat durch eine bessere Bioaktivität, was im Klartext bedeutet, dass ein wesentlich größerer prozentualer Anteil des Proteins durch den Körper verwertet werden kann. Eine besonders gut verdauliche Form des Soja-Proteins ist das Hydrolysat, das besonders für Trainierende prädestiniert ist, die mit Verdauungsproblemen infolge des Konzentrat- oder Isolatkonsums zu kämpfen haben. Im Rahmen dieses Herstellungsverfahrens werden die Proteinstrukturen durch die Zugabe von Verdauungsenzymen enzymatisch aufgespalten, sodass diese dem Organismus schneller zur Verfügung stehen und keine unangenehmen Blähungen entstehen. Allerdings schlägt sich der Aufwand der Herstellung auch deutlich im Preis nieder, sodass sowohl Kozentrat als auch Isolat die günstigeren Alternativen sind. 

Vor- und Nachteile von Soja-Protein

Damit der menschliche Körper optimal funktioniert, benötigt dieser vor allem die neun essenziellen Aminosäuren Phenylalanin, Leucin, Methionin, Lysin, Isoleucin, Valin, Threonin, Tryptophan, Histidin und Cystin, aus denen er zahlreiche Enzyme sowie die nicht-essenziellen Aminosäuren herstellen kann. Da Soja-Protein dieses Kriterium exakt erfüllt, eignet es sich als multifunktional einsetzbare pflanzliche Proteinquelle, die darüber hinaus aufgrund ihrer kurzkettigen Molekularstruktur und der damit verbundenen kurzen Resobtionszeit einen adäquaten veganen Ersatz für Whey-Protein darstellt. Neben der entscheidenden Rolle, die Soja-Protein bei der Ankurbelung der Proteinbiosynthese spielt, belegten medizinische Studien unlängst, dass der Konsum von Soja-Protein zahlreiche gesundheitliche Faktoren positiv beeinflusst. So bewies eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2008, dass der Konsum von Soja-Protein nicht nur dabei hilft Muskelmasse zu erhalten und auch im Alter die fortschreitende Muskelatrophie zu verlangsamen, sonder auch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zu reduzieren. Des Weiteren belegte eine englische Studie bereits im Jahr 1995, dass Soja-Protein der Demineralisierung der Knochensubstanz und somit dem Auftreten von Osteoporose vorbeugen kann. Größter Nachteil des Soja-Proteins ist allerdings der etwas eigenwillige Geschmack zahlreicher Soja-Protein-Präparate sowie die Konsistenz der mit Soja zubereiteten Shakes, die in keinster Weise an die cremigen Eigenschaften eines Whey- oder Casein-Shakes heranreicht.

Wissenswertes rund um Östrogene und Laktoseintoleranz

Der übermäßige Konsum von Soja-Protein ist allerdings aus gesundheitlicher Hinsicht eher problematisch, da die Soja-Pflanze sich mithilfe von Hormonen gegen Fraßfeinde zu schützen sucht. Zum Leidwesen der zumeist männlichen Fitnesssportler handelt es sich bei exakt diesen Hormonen um weibliche Sexualhormone, die dem Östrogen strukturell stark ähneln und dementsprechend zu unerwünschten Nebenwirkungen führen können. Folglich sollte der durchschnittliche tägliche Soja-Protein-Konsum laut der amerikanischen Nahrungsmittelaufsichtsbehörde FDA 30 Gramm nicht überschreiten, um die körpereigene Testosteronproduktion nicht zu stören. Studien belegten zwar, dass auch der Konsum von 50-60 Gramm pro Tag zumeist unproblematisch ist, um aber die etwaige Herabsenkung des Testosteronlevels zu verhindern, sollte der offiziellen Empfehlung Folge geleistet werden. Zu den Trainierenden die durch den Konsum von Soja-Produkten profitieren zählen neben Vegetariern und Veganern in erster Linie Athleten, welche über eine ausgeprägte Laktoseintoleranz verfügen und somit selbst Whey-Protein-Isolat, welches lediglich einen minimalen Laktoseanteil aufweist, nicht vertragen. Somit ist es auch diesen möglich, Kapital aus den Vorteilen eines schnell resorbierbaren Protein-Präparats zu schlagen.

Fazit

Soja-Protein ist ein variabel einsetzbares Produkt, von dessen Vorzügen vor allem Athleten profitieren, die tierischen Proteinquellen ausweichen und dennoch keine Kompromisse im Bereich der Versorgung mit essenziellen Aminosäuren eingehen möchten. Wer jedoch nicht gerade unter Laktoseintoleranz leidet oder bewusst auf tierische Produkte verzichtet, sollte Soja-Präparate eher als temporäre Ergänzung oder als Zutat zum Backen und Kochen, denn als Ersatz für Whey, Casein oder Mehrkomponentenprotein ansehen.