Über das Faktum, welche Trainingsmethode die effektivste im Bezug auf den Muskelaufbau ist, streiten die Gelehrten der Sportwissenschaft nicht erst seit der Fitnessport in den vergangenen Jahren den Massenmarkt erreichte. Dass die langjährige Suche nach dem Heiligen Gral der Trainingslehre bisher weitgehend erfolglos verlief, verwundert im Angesicht der Tatsache, dass jede Trainingsform früher oder später zum Erfolg führt nicht sonderlich. Dennoch haben wir es den Erkenntnissen der modernen Sportwissenschaft zu verdanken, dass uns Trainingsformen bekannt sind, mit denen es uns möglich ist, zielgerichtet bestimmte Muskelfasern zu rekrutieren und somit das Optimum an potenzieller Leistung aus der Muskulatur herauskitzeln zu können. Zu diesen Erkenntnissen, die im Rahmen der Suche nach dem Stein der Weisen des Kraftsports ans Tageslicht traten, gehört exzentrisches Training.

Was ist exzentrisches Training und wie funktioniert es?

Um die Funktionsweise des exzentrischen Trainings zu begreifen, bedarf es zunächst dem grundlegenden Verständnis des Zusammenspiels der Muskelfasern im Rahmen des Trainings. Die wichtigste Form der Muskelkontraktion im Bereich des klassischen Krafttrainings ist die konzentrische Arbeit, im Zuge derer Widerstände überwunden, also Gewichte gehoben oder gedrückt werden und sich der Muskel zusammenzieht. Das Gegenstück dazu stellt die exzentrische Muskelkontraktion dar, während der sich Ansatz und Ursprung des unter Spannung stehenden Muskels voneinander entfernen. Folglich ist diese Ausprägung der muskulären Arbeit für das Abbremsen des Gewichtes während der negativen Bewegungsphase einer Übung verantwortlich. Zwar vereint das althergebrachte Hypertrophietraining sowohl die konzentrische als auch die exzentrische Muskelarbeit, jedoch ist rein exzentrisches Training als Intensitätstechnik für Fortgeschrittene anzusehen, die sich in ihrer Funktionsweise deutlich von der gängigen Praxis des herkömmlichen Workouts unterscheidet. Da es sich um eine Intensitätstechnik handelt, wird dieses Trainingsform nur selten im Rahmen eines eigenständigen Workouts durchgeführt. Ferner findet sie vorrangig Verwendung, um den Zielmuskel in den letzten Sätzen des Workouts an seine Leistungsgrenze beziehungsweise darüber hinaus zu führen. Im Zuge des exzentrischen Trainings steht der Muskel lediglich während der negativen Bewegungsphase unter Spannung, wodurch dieser dazu in der Lage ist, bis zu 40% mehr Gewicht zu bewegen, als es während der konzentrischen Phase möglich wäre. Da allerdings deutlich weniger Muskelfasern an der zugrunde liegenden Bewegung beteiligt sind, stehen die aktiven Fasern unter deutlich höherer Spannung, sodass diese Intensitätstechnik für den Zielmuskel sehr viel fordernder ist.

Exzentrisches Training ist aufwendig aber effektiv

Der größte Vorteil, den exzentrisches Training bietet, ist dass gezielt die Muskelfasern angesprochen werden, die im Rahmen des klassischen Krafttrainings, dessen Fokus auf der konzentrischen Bewegung liegt, vernachlässigt werden. Ursächlich für die Vernachlässigung ist zumeist das ruckartige Ablassen des Gewichtes, nachdem dieses den Scheitelpunkt der Bewegung erreicht hat. Dementsprechend übt exzentrisches Training auf jene Muskelfasern eine wesentlich höhere Belastung aus, infolgedessen es durch den größeren Wachstumsreiz zu erhöhtem Muskelwachstum kommen kann. Darüber hinaus profitieren Athleten, die das Leistungsniveau der primär am exzentrischen Bewegungsablauf beteiligten Fasern, dem der vorrangig konzentrisch kontrahierenden Muskelfasern anpassen, von erhöhten Gesamtkraftwerten. Die Schattenseite dieses Erfolg versprechenden Konzepts ist allerdings, dass die wenigsten Übungen ohne die Hilfe eines Trainingspartners aufgeführt werden können, sodass die meisten Trainierenden lediglich im Rahmen von Isolationsübungen wie Kurzhantelcurls von den positiven Auswirkungen der Intensitätstechnik partizipieren können. Um die optimalen Ergebnisse zu erzielen, ist es hinsichtlich der Übungsauswahl, ebenso wie im Fall des konzentrischen Trainings, von größter Bedeutung, schwere Grundübungen auszuführen, da diese an Effektivität im Hinblick auf den potenziellen Wachstumsreiz und den daraus resultierenden Kraftzuwachs nicht zu überbieten sind. Vor allem die Durchführung von Kniebeugen, Bank- und Schulterdrücken ist mit erheblichem logistischen Aufwand verbunden, da sogar zwei Trainingspartner benötigt werden, die nicht nur die Hauptarbeit in der konzentrischen Phase verrichten, sondern darüber hinaus jederzeit für deine Sicherheit sorgen. Solltest du also das Privileg genießen ein bis zwei verlässliche Trainingskollegen an deiner Seite zu haben, steht dir der Weg zum Erfolg offen.

Für wen empfiehlt sich exzentrisches Training?

Grundsätzlich eignet sich der Einsatz von exzentrischem Training für jeden Trainierenden, der es darauf anlegt, sein volles Leistungspotenzial auszuschöpfen. In diesem Zusammenhang bietet sich vor allem für Freizeitathleten, die vorwiegend alleine trainieren der Einsatz einiger extrem langsamer Negativwiederholungen am Ende eines Satzes an. In der Praxis bedeutet dies, dass du das Gewicht, nachdem du den höchsten Punkt des Bewegungsablaufes erreicht hast, langsam und kontrolliert ablässt. Für diese exzentrische Kontraktion im Rahmen der letzten 3-4 Wiederholungen eines 10er oder 12er Satzes solltest du 3-5 Sekunden einplanen. Prinzipiell funktioniert diese Technik mit jeder Übung, jedoch solltest du auf die Anzeichen deines Körpers hören, um insbesondere im Zuge schwerer Übungen, potenziell gefährliche Situationen zu vermeiden. Gezieltes exzentrisches Training eignet sich darüber hinaus, um ein Leistungsplateau zu überwinden da durch die gezielte Überlastung der Muskelfasern der Anpassungsreiz und somit auf lange Sicht die Gesamtkraft ansteigt, was sich infolgedessen in der Leistungsentfaltung im Zusammenhang mit dem regulären Training widerspiegelt. Dennoch sind ganze Trainingseinheiten nach dem Muster des exzentrischen Trainings, aufgrund des logistischen Aufwandes sowie den hohen Ansprüchen an das eigene Körpergefühl, lediglich erfahrenen Athleten, zum Zweck der Überwindung eines Plateaus, anzuraten. Weiterhin ist exzentrisches Training nicht ausschließlich im Kraftsport einsetzbar, denn auch Läufer können durch die gezielte Kräftigung oder Oberschenkel, die im Zuge dieser Trainingsvariante eintritt, durch reduzierte Schmerz- und Verletzungsanfälligkeit im Bereich des Quadrizeps profitieren. In der Praxis ist exzentrisches Lauftraining in Form von Bergabläufen möglich.

Fazit

Auch wenn das Praktizieren rein auf exzentrischen Bewegungsabläufen basierender Trainingseinheiten nur für die wenigsten Athleten sinnvoll ist, so hat diese Intensitätstechnik vor allem durch ihre erwiesene Wirksamkeit hinsichtlich Hypertrophie und Kraftentfaltung, ihren Platz im Rahmen eines erfolgreichen Trainingskonzeptes. Gleich, ob exzentrisches Training als Ergänzung am Ende eines Satzes oder in Form einer in sich geschlossenen Einheit absolviert wird, hat das Muskelgefühl oberste Priorität, um Effektivität und Sicherheit des Workouts zu gewährleisten.