Wie alle Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist auch der Sport vor dem sich ständig wandelnden Zeitgeist nicht gefeit. Insbesondere wenn es um die Ernährung geht, die sowohl die Basis für die Reduktion von Körperfett als auch für den signifikanten Aufbau von Muskelmasse darstellt, halten in regelmäßigen Zyklen zahlreiche neue und weniger neue Ernährungskonzepte Einzug in das kollektive Fitnessgedächtnis. Vor Jahren noch galt die schlichte Kombination aus rauen Mengen an Putenfleisch und weißem Reis als der ultimative Heilsbringer, der gleichermaßen für die Definitions- und Massephase geeignet schien. Eine Ernährungsform, die derzeit vor allem unter Kraftsportlern für Furore sorgt und die Theorie des Mahlzeiten-Timings völlig konterkariert, ist das Intermittent Fasting, zu deutsch „unterbrochenes Fasten“. Auch wenn dieser radikale Ansatz scheinbar gegen alle landläufigen Konventionen des klassischen Ernährungskonzepts verstößt, so steckt in ihm jedoch das Potenzial, zu einer ernsthaften Alternative heranzureifen.

Was ist Intermittent Fasting?

Zugegebenermaßen mutet es merkwürdig an, dass gerade das Fasten, also der lange Verzicht auf Nahrung, positive Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel und die anabolen Prozesse des menschlichen Körpers haben soll. Das Intermittent Fasting unterscheidet sich jedoch stark von klassischen Variationen wie dem Heilfasten, das bereits die alten Ägypter praktizierten und infolgedessen über mehrere Tage auf Nahrungsmittel verzichteten. Das intermittierende Fasten hingegen beinhaltet die bewusste Unterbrechung dieses Zyklus durch fest definierte Zeitfenster, in denen die Nahrungsaufnahme stattfindet. Der Tag teilt sich in diesem Kontext also in zwei streng voneinander abgegrenzte Abschnitte ein, die Fastenphase und die sogenannte Nahrungsaufnahmephase, in der die gesamten Tageskalorien verzehrt werden müssen. Das Intermittent Fasting ist allerdings keine Diät im engeren Sinn, da das Konzept lediglich vorschreibt, wann gegessen wird und folglich dem Athleten die freie Wahl der Nahrungsmittel überlässt. Dementsprechend ist die Methode vielseitig einsetzbar und ebenso für den Muskelaufbau geeignet, wie eine Ernährungsweise, die auf der Theorie des Mahlzeiten-Timings beruht, welche besagt, dass zahlreiche in regelmäßigen Abständen eingenommene Mahlzeiten einen positiven Einfluss auf das Muskelwachstum haben. Die exakte Definition der beiden Phasen hängt allerdings von der praktizierten Form des Intermittent Fastings ab.

Die unterschiedlichen Gesichter des Fastens

Seitdem das Intermittent Fasting zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals zu therapeutischen Zwecken unter wissenschaftlichen Rahmenbedingungen durchgeführt wurde, kristallisierten sich einige Variationen heraus, die die Basis für die aktuell im Bereich des Fitnesssports geläufigen Ausprägungen bilden. Allen voran rangiert die sogenannte „Lean Gains Variante“ auf der Beliebtheitsskala der Trainierenden ganz oben. Diese am häufigsten praktizierte Form des Intermittent Fastings schreibt eine 16-stündige Fastenphase, in der lediglich Flüssigkeit aufgenommen werden darf, sowie eine 8-stündige Nahrunsaufnahmephase vor. Folglich kann die Leans Gains Variante durch geschickte Planung so an den individuellen Tagesrythmus angepasst werden, sodass sich dieser nur noch unwesentlich von dem der „normalen“ Ernährungsweise unterscheidet. Die sogenannte „Warrior Diät“ hingegen verändert die Zeitfenster im Vergleich zur erstgenannten Ausprägung des Intermittent Fasting erheblich. Basierend auf dem Tagesrhythmus der Jäger und Sammler, die den Großteil des Tages mit der Jagd verbrachten und dementsprechend wenig Zeit zur Nahrungsaufnahme hatten, gestaltet sich die vierstündige Nahrungsaufnahmephase dem Vorbild entsprechend kurz. Folgerichtig ist die Durchführung der Warrior Diät wesentlich anstrengender, da lange gehungert werden muss und die gesamten Tageskalorien innerhalb von vier Stunden zu verzehren sind. Indes konnte sich die sogenannte „Eat-Stop-Eat Variante“, im Zuge derer an zwei Tagen in der Woche gänzlich auf Nahrungsmittel verzichtet wird, in Bodybuildingkreisen nicht durchsetzen.

Die Vorteile überwiegen

An diesem Punkt meldet sich das dogmatisch behaftete kollektive Gedächtnis des Fitnesssports mit dem Einwand zu Wort, dass die ausbleibende Nahrungsaufnahme über einen so „langen“ Zeitraum unweigerlich im Verlust fettfreier Muskelmasse gipfelt. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch Zehntausende Jahre nach diesem Schema lebte und mit Sicherheit durch kurze Fastenphasen keinen Rückgang der Skelettmuskulatur hinnehmen musste, ist diese Argumentation nicht nur unlogisch, sondern konnte auch durch eine Studie des Physiologen Dr. John Berardi widerlegt werden. Ferner profitiert der Körper vor allem durch den niedrigen Insulinspiegel, der sich infolge des Fastens einstellt. Dies ermöglicht dem Organismus den Aufbau eines anabolen Umfeldes, da aufgrund des niedrigen Insulinspiegels der Ausstoß von Wachstumshormonen ansteigt. Folglich ist festzuhalten, dass sich das Intermittent Fasting positiv auf den Muskelaufbau auswirkt. Weiterhin steigt auch der Anteil der körpereigenen Fettsäuren, die zum Zweck der Energiegewinnung herangezogen werden, durch die vermehrte Cortisolausschüttung in der Fastenphase an. Darüber hinaus profitiert der Organismus auch aus gesundheitlicher Sicht, da der Körper während des Fastens entgiftet wird und die Blutkonzentration des „schlechten“ LDL-Cholesterins in diesem Zusammenhang sinkt, was sportwissenschaftliche Studien bereits belegten. Insbesondere schwere Athleten, die eine hohe Energiezufuhr gewohnt sind, können im Kontext des Intermittent Fasting vor Probleme gestellt werden, da innerhalb weniger Stunden teils mehr als 4000 Kilokalorien verzehrt werden müssen, was Komplikationen mit dem Verdauungstrakt nach sich ziehen kann. Auch die lange Fastenphase wird meist zum mentalen Problem, da der subjektive Nahrungsmangel Körper und Geist in den ersten Tagen des Intermittent Fastings ermüden lässt.

Die praktische Anwendung

Um das Prinzip des Intermittent Fasting optimal umsetzen zu können ist es notwendig, dieses an den eigenen Tagesablauf anzupassen. Im Allgemeinen ist die „Lean Gains Variante“ aufgrund des relativ großen Nahrungsaufnahmefensters von acht Stunden am besten in den Alltag zu integrieren. Da viele Menschen ohnehin aus Zeitmangel auf das Frühstück verzichten, lässt sich die Zeit bis zum Mittag mit schwarzem Kaffee und anderen kalorienfreien Getränken überbrücken. Pünktlich zur Mittagspause öffnet sich um 12 Uhr das Nahrungsaufnahmefenster und bleibt bis 20 Uhr am Abend geöffnet. In diesem Zeitraum gilt es die gesamten Tageskalorien zu konsumieren, deren Menge selbstredend vom vorher definierten Ziel abhängt. Der große Vorteil, den diese Zeiteinteilung bietet, liegt klar auf der Hand, da die Mahlzeiten in die Zeit des Tages verlegt werden, in der der moderne Mensch am aktivsten ist. Weiterhin hätte die Vorverlegung des Nahrungsaufnahmefensters, auf beispielsweise 8 Uhr früh den Nachteil, dass es sich bereits gegen 16 Uhr wieder schließt. Da die meisten Menschen ihren Tagesrhythmus jedoch nicht mehr nach dem Lauf der Sonne ausrichten, würde dies bedeuten, dass sich spätestens zur Primetime der knurrende Magen meldet, was eine unruhige Nacht verspricht. Darüber hinaus sollte das Training vorzugsweise innerhalb der Acht-Stunden-Frist stattfinden, um sowohl im Fitnessstudio über ausreichend Kraft zu verfügen als auch danach, den nach Nährstoffen dürstenden Körper ausreichend versorgen zu können.

Fazit

Das Intermittent Fasting eignet sich dank seiner vielseitigen Einsetzbarkeit grundlegend für alle Athleten, die bereit sind etwas Neues auszuprobieren. Lediglich Leistungssportler, die gezwungen sind trotz Diät, mehrmals in der Woche extrem hart zu trainieren, werden sich mit dem Nahrungsverzicht schwer tun, da die optimale Regeneration in diesem Fall nicht mehr gänzlich gewährleistet ist. Weiterhin wissen auch die gesundheitlichen Aspekte, wie die Entgiftung des Körpers sowie die Senkung des LDL-Cholesterinspiegels von sich zu überzeugen. Zwar ist es vor allen Dingen zu Beginn schwer, sich an die neuen Essgewohnheiten anzupassen, doch sobald diese Phase überwunden ist, stellt das Intermittent Fasting eine ernsthafte Alternative zu althergebrachten Ernährungsformen dar. Vermutlich wird noch einige Zeit ins Land gehen, bevor das Intermittent Fasting einen ähnlichen Stellenwert in der Bodybuildingszene erreicht hat, wie Reis und Pute, doch das Potenzial dazu ist allemal vorhanden.

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